24.10.2020 Wenn sich selbst Gaststätten am Rande der Republik schon zu solchen Aushängen bemüssigt fühlen…

Für die Nachwelt.

Anfangs, also im Februar/März 2020 war das zumindest für mich nicht weiter schwierig. Ich war eh Zuhause und die wenigen auswärtigen Termine waren zunächst kein Problem. Einen geeigneten Therapeuten zu finden gestaltete sich auch ohne Corona schon schwierig – jetzt nahm gar keiner mehr neue Patienten an. Ich weiß gar nicht wieviel Dutzend Versuche ich gestartet hatte – ich ließ es dann bleiben und habe auch das überlebt.

Aus der Ferne bekam ich mit, dass bei meinem Arbeitgeber die Produktion unter Volllast lief, das Hamstern sorgte für volle Auftragsbücher, Margarine hält sich halt drei Monate. Dafür gingen andere Niederlassungen komplett in Kurzarbeit, weil schlicht kein Abnehmer mehr da war. Des Gärtners Arbeitgeber schloss einen Teil der Filialen, sollte eine Filiale wegen Corona-Verdachts geschlossen werden müssen, kann eine andere Filiale wieder geöffnet werden. Nach und nach kamen bei ihm dann Hygiene-Konzepte dazu, Plexiglasscheiben, Desinfektionsmittel, Abstand halten – so wie halt überall. Die Kunden kamen nach wie vor, je älter der Kunde desto schwieriger war auch der Umgang mit den Restriktionen.

Später im Frühling setzte bei mir die Wiedereingliederung ein und ich wurde dann halt mehr mit dem ganzen Geschehen konfrontiert. Bei meinem Arbeitgeber wurde beim Betreten der Firma durch einen Pförtner die Körpertemperatur gemessen und es gab Regelungen für die Nutzung diverser Räumlichkeiten, nichts was ich als große Einschränkung empfunden hätte. Okay, ein Einzelbüro hat da auch seine Vorteile. Mit dem Ende der Wiedereingliederung war der Sommer da, offene Fenster und relativ viele urlaubsbedingte Abwesenheiten machten es einem leicht Abstand zu halten. Jetzt im Herbst mit steigenden Infektionszahlen wird wieder mehr gerungen und geschaut wie wir weiterarbeiten können. Ich sitze da mit im Team und es ist schwierig faire und verständliche Regeln zu gestalten. In einer reinen Büroumgebung lässt sich das einfach gestalten aber in einem Produktionsbetrieb mit einem ständigen Kontakt zu externen Lieferanten, Speditionen und was weiß ich noch? Ab Montag gilt zumindest auf allen Gängen und in Meetings Maskenpflicht.

Weder der Gärtner noch ich sind bis heute Corona bedingt nur einen Tag nicht arbeiten gegangen noch war bislang ein Corona-Test notwendig. Ich arbeite einen Tag der Woche im Home-Office, das ist gut für mich aber in meinem betrieblichen Umfeld der absolute Ausnahmefall. Natürlich können ein paar Leute hin und wieder von Zuhause arbeiten, aber sollen die Kollegen in der Produktion ihre Abfüllmaschine mit nach Hause nehmen? Ich beobachte da einen unglaublichen Spagat bei Eltern die plötzlich ihre Kinder Zuhause haben, weil halt ein Verdachtsfall in der Kita/Schule auftrat. Das Kind muss betreut werden, es gibt aber weder eine Krankschreibung für das Kind noch für die Eltern. Das ist schon schräg.

Mein Arbeitsweg ist relativ einfach, das Auto ist da ein sicherer Hafen. Der Gärtner fährt mit den Öffentlichen und nur weil dort Abstandsgebot und Maskenpflicht gilt, bedeutet das eben nicht, dass Menschen sich daranhalten.

Was wir für unseren zwei Personen-Haushalt geändert haben ist tatsächlich das Einkaufsverhalten. Mehr Vorratshaltung – und zwar nicht wegen zu wenig Klo-Papier sondern hauptsächlich um den ganzen „Rüssel frei“-Trägern aus dem Weg zu gehen. Dann Lebensmittel anliefern lassen, früher eher sporadisch, heute dann bewusst und regelmäßig. Das funktioniert bei Getränken und Lebensmitteln sehr gut, man muss halt nur erstmal in die regelmäßige Bestellroutine reinkommen. Von der Bio-Gemüsekiste haben wir uns dann sehr schnell wieder verabschiedet, verholzte Bio-Möhren & Birnen braucht es dann auch nicht. Auch lernt man schnell dazu, eine Kiste H-Milch mit einem MHD kurz vorm Ablauf ist halt doof – wenn man weiß das man Monate benötigt, um diese Kiste leer zu bekommen. Neu dazugekommen ist ein Brötchen- und Brotlieferdienst, das ist schon ok. Für den kleinen Rest an frischen Lebensmitteln den ich dann doch vorher mal gesehen haben möchte reicht dann ein Einkauf alle zwei Wochen. Die neue Gefriertruhe erhöht zwar die Stromrechnung, vergrößert aber im Gegenzug die Unabhängigkeit.

Und für den noch selteneren Rest wie Kleidung und Dingsbums waren zumindest bei mir auch schon lange vorher nicht mehr die Geschäfte in der Innenstadt zuständig. Es hat stark zugenommen das die gewünschten Artikel auch von denen erst bestellt werden müssen, um dann entweder abgeholt werden müssen oder nach Hause geschickt werden. Hä? Der Gärtner findet wiederum seine Anzüge noch – oder besser wieder – im Laden. Es ist dann auch nicht alles schlecht.

Das Reisen war dieses Jahr spürbar eingeschränkter. Der im März geplante Kurzbesuch in Dortmund fiel weg, im Sommer blieben wir Zuhause und zum Herbstanfang zog es uns für ein paar Wochen ins Nirgendwo. Für Weihnachten hatten wir bereits im Januar waren ein paar Tage Warnemünde gebucht – diese Reise werden wir nicht antreten; auch wenn wir auf den Kosten sitzen bleiben.

Und dann bleiben da noch die Menschen…

Diese Aufteilung in Menschen, die sich an Regeln halten und Menschen die sich die Welt halt passend machen. Schwarz und weiß. Richtig oder falsch. Ist das wirklich so einfach? Was mir einleuchtet muss doch nicht automatisch für den Anderen auch einleuchtend sein? Wenn Masken tragen eine Empfehlung ist – dann muss man doch damit rechnen, dass jemand diese Empfehlung nicht umsetzt? Warum dann nicht gleich eine verpflichtende Regelung. Wegen der Freiheit? Endet nicht die Freiheit des Einzelnen dort, wo er die Rechte des Anderen tangiert? Aber wenn wir schon bei den klugen Sprüchen sind: wer Freiheiten aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, verdient weder Freiheit noch Sicherheit.

Ich kann durchaus nachvollziehen das dieses hin und her der Politik nicht für gute Voraussetzungen für Akzeptanz bei den Menschen sorgt. Natürlich liegt mir die Kanzlerin mit ihren klaren Worten näher als die herumeiernden Ministerpräsidenten. Nur gibt es eben neben der Pandemie auch noch andere Dinge zu regeln. Und warum entscheiden eigentlich nicht die Parlamente über die einschneidenden Maßnahmen? Vielleicht müssen wir unser Betriebsmodell der Demokratie von Föderalismus bei Gesundheitsdingen auf Zentralorgan umstellen? Was weiß ich denn.

Vermissen tue ich spontane Restaurantbesuche, sowie Theater- und Kinobesuche, aber ansonsten? Freunde, die ich jetzt nicht treffen kann, treffe ich eben ein anderes Mal. Ich fand es sehr schade das der junge Herr mit seiner Frau die Hochzeit im Mai nicht feiern konnte, dafür haben sie halt ein anderes Lebensziel vorgezogen und werden im Januar Eltern.

Ich freue mich das es der Familie gut geht. Mir ist auch durchaus bewusst das ich Glück habe über Platz und Auslauf zu verfügen und das der Gärtner und ich uns als Paar durchaus auch mal selbst genügen. Die Freiheit zu tun was man für richtig hält beinhaltet eben auch mal nein zu sagen.

 

 

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