1993. Roadmovie.

1993 im Herbst, ich hatte gerade in Dresden mit dem Studium begonnen, waren ein paar Tage frei. Ich war noch nie zuvor an der Ostsee und entschloss mich Nachts spontan an die See zu fahren. Ich lieh mir ungefragt das Auto vom WG-Genossen und fuhr los. Mit 23 hat man keine Zeit zum warten.
Es muss etwa 1 Uhr Morgens gewesen sein. Irgendein Radiosender hielt mich auf der ganzen Fahrt wach. Singend, rauchend und mit bester Laune fuhr ich durch meinen Roadmovie an Berlin vorbei. An einem schmuddeligen LKW-Rasthof tankte ich und tuckerte mit der uralten Karre des Kumpels weiter in Richtung Norden.
Nur sehr selten begegnete ich einem anderen Auto. Die Straßen wurden immer schmaler und rumpeliger. Bruce Springsteen singt von Dancing in the Dark und auch sonst war die Stimmung angenehm melancholisch.
Nach einer weiteren Stunde Fahrt packte mich die Müdigkeit, ich suchte mir irgendwas wo ich einen Kaffee bekam. Ich fand eine einsame Tankstelle im Nirgendwo. Zwei Zapfsäulen, darüber ein Dach, dahinter ein kleines Kassenhäuschen in dem Licht brannte. Eine alte Frau kam heraus, Kittelschürze, Haare im Pudellook und eine unangezündete Kippe im Mund. Sie guckte mich an, ich guckte sie. Kurzes Nicken. Sie steckte den Zapfhahn in den Tank. Ich pinkelte derweil in einen Busch und ging ins Kassenhäuschen.
Bis dahin wurde kein einziges Wort gewechselt. Ich zahlte, nickte und drehte mich zum gehen.
“Die Sonne geht auf.”
Sprach die Frau, stellte zwei Kaffeepötte auf einen wackligen Stehtisch und zündete sich eine Zigarette an. Ich stelle mich dazu, nippe am stärksten Kaffee meines Lebens und rauchte mit. Wir schauten aus dem Fenster.
Auf der anderen Strassenseite war eine grandiose Aussicht in die Leere. Am Horizont ging langsam die Sonne auf, Wasser glitzerte, Bodennebel waberte, zwei, drei Rehe liefen durchs Bild.
Wir standen, tranken, rauchten und schwiegen für zwei Zigarettenlängen und schauten raus. Sie nickte, ich nickte. Ging und fuhr weiter.

Angekommen

 

Bevor ich überhaupt nur am Wasser angekommen war, hatte mich das Land schon für sich eingenommen.